Elija ging eine Tagereise
weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch
und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein
Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter. Dann legte er sich
unter den Ginsterstrauch und schlief ein. Doch ein Engel rührte ihn
an und sprach: Steh auf und iß! Als er um sich blickte, sah er neben
seinem Kopf Brot, das in glühender Asche gebacken war, und einen Krug
mit Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder hin. Doch der Engel
des Herrn kam zum zweitenmal, rührte ihn an und sprach: Steh auf und
iß! Sonst ist der Weg zu weit für dich. Da stand er auf, aß
und trank und wanderte, durch diese Speise gestärkt, vierzig Tage und
vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb. Wenn manche Menschen
heutzutage ihren Geburtstag zum Teil recht groß feiern, dann deshalb
weil ein solcher Tag das Leben markiert. Der Geburtstag kennzeichnet die
Tage und Jahre zurück in die Vergangenheit und möchten das auch
vorwärts in Richtung Zukunft tun.
Das Morgen ist uns ja weitestgehend unbekannt und verschlossen, weshalb
manche lieber am Gestern oder am Vorgestern hängen bleiben.
„Das waren noch Zeiten!“, heißt es dann. Für die
Zukunft bleiben nur die guten Wünsche. Aber die guten Wünsche
haben eines an sich: Sie möchten das Gestern in das Morgen verlängern,
sie möchten eine Linie aus der Vergangenheit über das Heute
hinausziehen, um die Zukunft einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Von dem brasilianischen Bischof Dom Helder Camara stammt dieses Wort:
„Sag Ja zu den Überraschungen, die deine Pläne durchkreuzen,
die deine Träume zunichte machen, deinem Tag eine ganz andere Richtung
geben, ja vielleicht deinem Leben. Sie sind nicht Zufall. Lass dem himmli¬schen
Vater die Freiheit, deine Tage zu bestimmen.“
Wir versuchen unser Leben durchzuplanen, damit wir wissen, was auf uns
zukommt. Wir wollen wissen, was gleich ansteht, worauf wir uns einzulassen
haben. Wir leben in einer Macher-Gesellschaft: Wir machen das Leben. Und
dabei merken wir oft genug, dass uns im Leben vieles ZUFÄLLT. Wir
können im Leben zwar viel tun und machen, vieles planes und vorher
bestimmen… Jedoch FÄLLT uns im Leben vieles ZU. Vieles können
wir nicht machen, wir können es nur zulassen oder aber lassen.
Deswegen könnten wir gar nichts Besseres tun, als gelassen auf Überraschungen
zu warten.
Wie natürlich wehren wir uns gegen das, was uns zufällt, wir
fürchten uns vor Überraschungen. Wir wehren uns dagegen, wenn
Wünsche nicht in Erfüllung gehen, wenn eine Erwartung verfliegt,
wenn ein Plan zerbricht, wenn eine Freundschaft auf¬gekündigt
wird, wenn der Partner stirbt. Da erhebt sich von unserer Sei¬te sofort
ein entschiedenes Nein; zumindest aber die vorwurfsvolle Frage: „Warum
denn gerade ich?“ – „Warum denn gerade jetzt?“
An das Ja, an die Überraschung, an die bessere Übersicht Gottes
denken wir nicht. Wir sehen, dass wir letztlich nichts machen können;
es zuzulassen, damit tun wir uns schwer.
Aber ganz tief drinnen ahnen, nein, wissen wir: Nur was wir annehmen,
bringt uns weiter.
Vie¬le von uns tragen, oft deutlich sichtbar, die Wunden der Vergangenheit
an sich: Beleidigungen, Verletzungen, Unrecht, Zurücksetzung haben
ihr Le¬ben gezeichnet. All das konnte nicht heilen, weil es nicht
angenommen wurde. Oft reift erst sehr spät die Erkenntnis: Es hat
so kommen müssen.
Aber wie viel Kraft wird auf diesem Weg verbraucht? Es ist eben schwer,
etwas loszulassen.
Ähnlich geht es unseren Wünschen: Wir klammern uns daran, als
sei¬en sie der Weisheit und des Lebens letzter Schluss. Planungen
und Ziele sind wichtig für unser Vorwärtskommen - aber sie sollten
im Licht der Worte von Helder Camara gesehen werden:
„Sag Ja zu den Überraschungen, die deine Pläne durchkreuzen,
die deine Träume zunichte machen, deinem Tag eine ganz andere Pachtung
geben.“
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