Fragen und Ängste aushalten können

Interview zur Fastenzeit mit Pastor François Palm

Gerade jetzt, da Corona der Welt ihre Verletzlichkeit vor Augen führt, könnte der Glaube auf den Prüfstein stehen. Schauen wir weniger auf bestimmte Formen von Kirche, welche die Krise nicht überstehen werden, sondern auf den Schatz, den der Glaube darstellt! Darum wirbt Pastor François Palm (75) im GE-Interview. In einem zweiten Teil haben wir dem im Ruhestand lebenden Seelsorger einige persönliche Fragen gestellt

von Lothar Klinges

Soeben hat die Fastenzeit begonnen. Hat diese geprägte Zeit für Sie persönlich eine besondere Bedeutung?

François Palm: Als Christ hat die Fastenzeit eine besondere Bedeutung, weil es die Zeit auf Ostern zu ist. Ostern ist der Höhepunkt des Glaubenslebens, und das Ostergeheimnis begründet meinen Glauben.

Ist die Fastenzeit im Pandemie-Jahr anders, hat sie womöglich zusätzliche Aspekte bekommen?

Weniger durch die Corona-Pandemie als vielmehr durch die Lebensumstände im Heim, die für mich neu sind, prägt mich die Fastenzeit.  Für mich ist sie anders, weil auch ich deutlich weniger Kontakte habe. Ich habe nicht mehr so Anteil am Leben draußen, lebe mehr allein, verbringe meine Zeit oft allein und bin nicht mehr aktiv in der Seelsorge eingebunden. Die Fastenzeit erinnert mich in diesem Jahr mehr an den Tod als in den anderen Jahren. Ich bin mehr auf mich selbst zurückgeworfen und beschäftige mich mehr mit mir selbst, da ich nicht mehr von Aktivitäten abgelenkt werde. Ich kann der Stille auch viel abgewinnen und finde Zeit zu beten und nachzudenken.

Wie haben Sie generell die letzten Monate mit Corona erlebt? Woran erinnern Sie sich vor allem?

Persönlich habe ich kaum gemerkt, dass wir eine Corona-Pandemie erleben, denn ich fühle mich im Katharinenstift Astenet sehr gut aufgehoben, umsorgt und geborgen, so als wären mir alle Sorgen um Corona abgenommen worden. Allerdings beschäftigt mich schon immer wieder der Gedanken, dass dieses Virus für viele Menschen eine Bedrohung ist.

Manche schimpfen in der Corona-Krise auf „die Politik“. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Weg durch die Pandemie?

Wer bin ich, dass ich das bewerten könnte. Ich stelle fest, dass immer neue Fragen auftauchen, die das Leben und die Pandemie uns stellen. Mir wird immer wieder neu bewusst, dass ich nicht der Meister über das Leben bin und dass wir in vielen Bereichen an unsere menschlichen Grenzen stoßen.

Und wie sehen Sie die Rolle der Kirche in der Pandemie? Manche sagen, sie wäre zu weit weg von den Menschen gewesen, hätte keine Antworten gehabt.

Die Kirche muss das Wort ergreifen, wenn Menschen in Not geraten und nach Hoffnungen suchen. Die Kirche muss Hoffnungsträgerin in einer solchen Situation sein.  Die Kirche ist kein Arzt und kann auch keine Medikamente hervorbringen. Die Kirche soll Hoffnungsträgerin mit einer Botschaft der  Solidarität sein. In einer solchen Situation soll der Glaube die Menschen stärken, damit sie ihre Verantwortung wahrnehmen können.

Sie sind überzeugt, gerade das Christentum habe in der Pandemie etwas zu sagen. Was?

In der Pandemie fühlt der Mensch sich bedroht und stößt an seine Grenzen. Nicht alle Fragen können (sofort) beantwortet und alle Probleme (sofort) gelöst werden. Der christliche Glaube kann helfen, dass das Leben trotz allem positiv gelingen kann.

Sie sind viele Jahrzehnte Seelsorger gewesen. Was sind aus ihrer Sicht die Lehren der Pandemie für die Seelsorge?

Die Pandemie hat uns in vielen Sachen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Vieles kann nicht mehr so weiterlaufen, wie wir es gewohnt sind. Wir werden auf Grenzen verwiesen, die uns aufgezwungen sind.  Das stimmt die meisten Menschen nachdenklich und ist eine Herausforderung. Für den modernen Menschen war ja scheinbar alles möglich. Das ist eben nicht der Fall. Das ist eine Erfahrung, die vorher weit weg war. Bei dem Wort Pandemie fallen mir auch die Schrecken im Mittelalter ein. Früher reagierten die Menschen auf eine Seuche mit Novenen und Prozessionen. Pestkreuze wurden errichtet, und die Menschen pilgerten dorthin. Heute reagiert der Mensch ganz anders. Nicht die Novene war wichtig, sondern die Haltung des Menschen, der in solchen Situationen Gott noch mehr vertraut hat. 

Seit einem Jahr leben Sie im Seniorenheim des Katharinenstiftes Astenet. Was würden Sie den Senioren in unseren Heimen in dieser besonderen Zeit mit auf den Weg geben?

Ich bin dankbar, dass wir in Astenet bisher gut durch diese Zeit gekommen sind.  Natürlich war und ist die Gefahr präsent.  Wir sind sehr glimpflich abgekommen.  Daher habe ich die Angst und die Sorge nicht so sehr gespürt. Wir dürfen uns auch nicht zu viele Sorgen machen. Wir müssen auch Fragen und Ängste aushalten können. Für mich ist das ein Prüfstein des Glaubens. Kann ich Angst aushalten, kann ich noch vertrauen?

Wie sehen Sie die Zukunft der Kirche in der heutigen Gesellschaft?

Ich bin kein Prophet. Ich vertraue, wie ich es bisher immer getan habe. Ich bin überzeugt, dass das Vertrauen gerechtfertigt ist. Jesus Christus lässt die kleine Herde nicht allein. Ich bin jetzt schon ein Jahr aus der Pfarrseelsorge weg. Wenn ich die Glocken aus der nahen Walhorner Kirche höre, dann kommen mir schon mal die Tränen, Da sind doch tiefe Gefühlsbindungen an die Zeit in Walhorn.  Natürlich machen viele Nachrichten aus der Kirche es uns schwer, Hoffnung auf eine gute Zukunft zu behalten. Das darf uns nicht in Beschlag nehmen. Wir sind Zeugen einer menschenfreundlichen Botschaft, die in einer so zerbrechlichen Welt an Bedeutung gewinnt.

Manche sagen, das Ende der Kirche sei nah. Wie kommt Ihnen so eine Behauptung vor?

Wenn ich die Gelegenheit habe, unterhalte ich mich gerne mit Menschen, die eine solche Behauptung aufstellen. Oftmals entsteht ein interessantes Gespräch. Was lässt Menschen sagen, das die Kirche untergeht.  Manchen habe ich die Angst nehmen können, dass manches nicht mehr im Leben trägt. Ich schaue dann aber auf Jesus Christus. In der Geschichte der Kirche hat es bisweilen noch schwierigere Zeiten gegeben.  Eine bestimmte Form von Kirche wird die Zeit nicht überstehen.  Die Botschaft aber bleibt bestehen. Das Kostbare an der Botschaft wird nicht zerbrechen. 

 

Wenn Sie sich an einen Ort träumen könnten, der ihnen Kraft und Ruhe schenkt und Sie auch Gott näher bringt, welcher Ort wäre das?

Die schönste Reise, die ich machen durfte, war für mich eine Pilgerreise in das Heilige Land. Davon zehre ich immer noch. Fast jedes Evangelium erinnert mich an einen Ort, wo ich selbst im Heiligen Land gestanden habe.  Seitdem haben meine Predigten einen neuen Inhalt bekommen, als ob ich vor Ort stände.

Was begeistert Sie an Ihrem Priestersein? Was macht Sie jeden Tag froh?

Der Ruf des Herrn hat mein Leben umgekrempelt, und in diesem Vertrauen und in dieser Freude lebe ich immer noch. Wenn ich über mein Leben nachdenke, kommen mir viele Spuren vor Augen. Schon vor Jahren wollte ich mal ein Buch über die Spuren schreiben, die meinen Lebens- und Glaubensweg gekreuzt haben, meine Freuden  und Schwierigkeiten.

Welches war Ihre bisher schönste Zeit und warum?

 Da fällt mir meine Mutter ein, die mir folgendes gesagt hat, worüber ich anfangs etwas erschrocken war. Sie hat mir gesagt, dass sie nicht verstehen kann, dass ich mich trotz aller Sorgen des Lebens so erfreuen kann. ich freue mich grundsätzlich des Lebens. Für mich waren alle Zeiten schön, und sie sind auch harmonisch ineinander übergegangen. Es ist mir nie schwer gefallen, vom Direktor zum Lehrer und dann zum Seelsorger zu werden.  Wenn ich das getan habe, was mir anvertraut wurde, war ich zufrieden.

Welche schwierigen Momente haben Sie bisher durchstehen müssen?

Der Tod meiner Eltern hat mich stark geprägt. Der Glaube hat mir geholfen, besser damit umzugehen. Zu meiner Mutter hatte ich immer eine besondere Beziehung.

Worauf möchten Sie in den nächsten Jahren großen Wert legen?       

Direkte Ziele habe ich nicht. Ich wünsche mir, dass das Leben noch sinnvoll ist, das ich etwas tun kann, was sinngebend ist. Hier im Heim suche ich den Kontakt mit den Menschen.

Was ist Ihr „Herzens“- Gebet?

Das Vaterunser, weil Jesus es uns selbst gelehrt hat. Es gibt kein einfacheres und tiefergehendes Gebet als das Vaterunser.  Das Vaterunser kommt mir nie oberflächlich über die Lippen. In diesem Gebet hat Jesus der Vergebung einen entscheidenden Platz gegeben

Was war Ihr schönstes Gottesdiensterlebnis?

Schon als Kind habe ich die Liturgie, den Gottesdienst geschätzt.  Meine Priesterweihe mit Bischof Van Zuylen in der Eupener St. Nikolauskirche war für mich wohl das schönste Gottesdiensterlebnis. Ich hatte das Glück, in Membach zum Diakon geweiht zu werden.

Wie lautet Ihr Lebensmotto

Es ist das Gelassenheitsgebet:   Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,  den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Und Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Leider kann ich nicht mehr so viel lesen, da ich mich nicht mehr so lange konzentrieren kann. Auch mein Geist ist müde geworden. Spazieren und Reisen waren mein Lieblingsbeschäftigungen, vor allem mit meinem Priesterfreund Wolfgang Mayfisch von Mönchengladbach. Wir haben sehr schöne Reisen unternommen. Daran denke ich gerne zurück.

Wie lautet schließlich Ihr Wunsch für die Christen in Ostbelgien?

Ich wünsche den Christen in Ostbelgien, dass sie die Freude am Glauben nicht verlieren bzw. sie wieder gewinnen und nie aufhören, nach neuen Wegen zu suchen, und diese Wege dann auch gehen.

 

ZUR PERSON

Lehrer, Direktor, Sendeleiter, Pastor, Bischofsvikar und Seelsorger i. R.

Das Licht der Welt erblickte François Palm am Frühlingsanfang, 21. März 1945, in Eupen. Nach Beendigung der Volksschule in Membach, wo die Familie wohnte, besuchte er das damalige Eupener Collège Patronné in der Abteilung Griechisch-Latein.

Der Weg zum Priester war für François Palm kein gradliniger. Nach zwei Jahren im Löwener Priesterseminar Leon XIII hat er das Priesterstudium abgebrochen und wurde zunächst Lehrer für Alte Sprachen und Religion am Collège Patronné, dann Lehrer für Pädagogik und Psychologie an der damaligen Kath. Normalschule. 1981 wurde er Direktor der Normalschule. Aber irgendwie hat der Weckruf der Großmutter späte Früchte getragen. „Meine Oma hat jeden Abend für Priesterberufungen gebetet. Sie hat gesagt, wir brauchen gute Priester“, erinnert er sich. Dann gab es noch den Pastor Josef Bastin in Membach, der eine hervorragende Jugendarbeit gemacht hat und den jungen François auch im Gottesdienst fasziniert hat.

Am 6. Februar 1983 empfing er als "Spätberufener" in der Eupener St. Nikolaus-Pfarrkirche das Sakrament der Priesterweihe.  Nach der Weihe blieb der damals 38-Jährige noch zwei Jahre Direktor an der Normalschule in Eupen (bis 1985), war gleichzeitig Sonntagskaplan an Eupen-St.Nikolaus, Religionslehrer an der Normalschule, am Collège Patronné und am Heidberg-Institut (heute Pater-Damian-Sekundarschule), sowie Beauftragter für die Schulseelsorge. „Von Anfang an lebte aber in mir die Vorstellung, als Priester in einer Pfarre tätig zu sein“, erinnert er sich. „Als ich damals den Eindruck hatte, dass die Verantwortlichen mich vor allem auf Schule hin orientieren wollten, war ich davon alles andere als begeistert.“ Er habe damals gesagt, dass er nicht Lehrer, sondern Kaplan werden wollte. Als er dann 1986 Pastor wurde, war das für ihn eine Neu-Entdeckung. „Von Anfang an habe ich mich wohl gefühlt und gespürt, dass es das war, was ich tun wollte, nämlich mit den Menschen unterwegs sein, ein Hirte sein und an ihrer Seite stehen.“ 

34 Jahre lang (1986-2020) war François Palm Pastor der Pfarre St. Stephanus Walhorn. Eine Ernennungsurkunde hat er nie erhalten, da er am 1. September 1986 lediglich als „Pfarrverwalter“ und nicht als Pastor ernannt worden war „Für die Leute war ich aber von Anfang an ihr Pastor“.  In all  den Jahren war ihm die Pfarre Walhorn zur Heimat geworden. Gleichzeitig übte er aber auch zusätzliche Dienste im Pfarrverband Eupen-Kettenis aus. Vom 1. September 2001 bis zum 11. Oktober 2010 war er Bischofsvikar und übte diese Brückenfunktion zwischen Bistumszentrale und Ostbelgien aus. Auch wirkte er an der Gestaltung der Rundfunksendung „Glaube und Kirche“ mit und war nach dem Tod von Sendeleiter Willy Brüll im Jahre 2000 sogar für die Sendung verantwortlich. Fast 15 Jahre lang hat die Sendung geleitet.

Aus gesundheitlichen Gründen musste er 2020 auf seine Tätigkeit als Pfarrer von Walhorn verzichten und fand eine Bleibe im Seniorenheim des Katharinenstiftes, wo er sich gut eingelebt hat und sich sehr wohl fühlt. "Ich bin nun hier zu Hause."  (kli)

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