Advent als Wartezeit

Die Hälfte des Lebens ist warten, die andere Hälfte laufen.

Liebe Pfarrfamilie,
"Die Hälfte des Lebens ist warten, die andere Hälfte laufen." Darin scheint ein Funke Wahrheit zu stecken. Wie oft geht es da ums Warten oder Abwarten? Warten auf Antworten, Rückmeldungen; ab­warten, bis er Dinge klärt.

Und dann? Dann muss es oft schnell gehen - fast scheinen sich die Dinge dann plötzlich zu überschlagen, die Zeit drängt, Ter­mine sind einzuhalten, und wer diesen „Moment" verpasst, hat dann manchmal sogar das Nachsehen.

Warten ist nicht gerade meine Lieb­lingsbeschäftigung, erst recht nicht „ab­warten". Das klingt passiv, aus­geliefert. Abwarten und nichts (mehr) tun können: fast unerträglich. Dabei weiß ich aus Erfahrung, dass dieses „Ab­warten", bis Dinge reifen und sich klären, alles andere als Passivität ist.

Innerlich ist das oft harte Arbeit: den anderen die Zeit zugestehen, damit er klären kann, was noch unklar ist, man denkt auch selbst noch mal nach, bezieht an­dere Sichtweisen ein.  Das erfordert Geduld, aber kein Sich-Ergeben.

Nun ist Advent. Aus christlicher Sicht ist es die Zeit des Wartens und Erwartens. Natürlich: Wer im Advent bewusst wartet, weiß, worauf und warum. Er hat ein Ziel vor Augen. Er wartet auf das Un­erklärliche an Weihnachten: dass Gott Mensch wird - und mit ihm die Welt ein bisschen menschlicher. Und dieses Kommen ist geschichtlich gesehen Ver­gangenheit. Trotzdem will es sich immer wieder neu ereignen. Die Bibeltexte vom Advent mahnen ausdrücklich: „Denn ihr wisst nicht, wann der Herr kommt" (Mk 13,35). Und: „Der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet." (Lukas 12,4.0) Er soll sogar kommen „wie ein Dieb in der Nacht" (1 Thes. 5,2).

Der Advent lädt sicher in erster Linie dazu ein, in uns den Weg zu bereiten, uns persönlich zu prüfen, ob wir denn bereit sind, wenn Gott zu uns kommen will. In unseren Alltag. Heute. Mitten rein. Hätten wir dann Zeit für ihn? Wären wir bereit? Oder müssten wir erst unseren Terminkalender befragen? würden wir ihn erkennen?  Christen sind „Warte-Menschen", die darauf hoffen und in der Zuversicht leben, dass Gott in ihr Leben kommt. Sind wir solche „Warte-Menschen", die danach Ausschau halten und darauf vertrauen, dass Gott der Immanuel ist, der „Gott mit uns"?    

Euer Pastor Lothar Klinges

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