Wahl zum Ostbelgier des Jahres 2015

Wort des Dankes - Interview - Unsere Verantwortung

Meine Wahl zum "Ostbelgier des Jahres" hat mich sehr gefreut. Mit mir wurden auch all jene zu "Ostbelgiern des Jahres" gewählt, die sich in den letzten Monaten ehrenamtlich für die Flüchtlinge eingesetzt haben, ob in Elsenborn oder in den anderen Aufnahmezentren und Asylbewerberheimen Ostbelgiens. Deshalb ist diese Wahl eine Stimme für all die Menschen, die sich mit großem Einsatz für die Flüchtlinge einsetzen. Im Namen all dieser Menschen möchte ich deshalb allen danken, die ihre Stimme abgegeben haben.

Es ist auch eine Wahl für ein gastfreundliches und offenes Ostbelgien, welches sich nicht abschottet, die Not in der Welt nicht nur sieht, sondern auch mit offenen Händen und vor allem mit Herz diese Menschen empfängt. Die Menschen in ein Flüchtlingsheim aufzunehmen ist die eine Sache. Die Flüchtlinge aber mit dem Herzen spüren zu lassen, dass wir an ihrer Not Anteil nehmen und sie als Menschen annehmen, ist die andere, viel wichtigere Sache. 

Nach den Bedrohungen im Dezember gegen meine Person habe ich unzählige Reaktionen erhalten, die mich ermutigt haben. Mit einer solchen großen Welle an Solidarität und Zustimmung hatte ich nicht gerechnet.  Wie damals möchte ich nochmals betonen, dass ich mich weder als "Opfer" noch als "Held" fühle. Das will ich nicht sein. Die wahren Opfer sind die Flüchtlinge  und die echten Helden sind all jene, die sich täglich, manche bis zur Erschöpfung, für Flüchtlinge einsetzen.

In der Wahl zum "Ostbelgier des Jahres" sehe ich ein klares ostbelgisches Zeichen der Solidarität mit den Menschen, die Hab und Gut verlassen haben, um hier ein Leben in Sicherheit und Freiheit führen zu können. Das Flücht­lingsproblem wird uns noch lange begleiten. Dass wir diejenigen, die an­ders als wir aussehen, die nicht unsere Sprache sprechen, die verzweifelt auf der Suche nach einem lebenswerten Ort sind, dass wir diesen Menschen die Hand reichen, ist doch das Mindeste, was wir tun können.

Wenn ich vor einem Flüchtling stehe frage ich mich zunächst: Was bringt dieser Mensch in seinem Inneren mit? Leider stellen sich viele Menschen mit Blick auf die Flüchtlinge nur die Frage: Was will dieser Mensch von mir, von uns? Respekt und Barmherzigkeit – sie wären vermutlich selbstverständlich, wenn wir uns ein Beispiel an Jesus Christus nehmen und zuerst auf den Reichtum schauen würden, den jeder und jede Fremde in sich trägt.

Sollten wir nicht bescheidener in unseren Ansprüchen werden und dankbar sein für das bei uns erreichte Lebensniveau. Durch eine solche innere Einstellung werden wir die Flüchtlinge eher und schneller als echte Mitbürger betrachten und achten.

Die Wahl spornt mich an, meinen Weg fortzusetzen, die Flüchtlinge weiterhin willkommen zu heißen, Vorurteile abzubauen und zu einem besseren Verständnis zwischen den Flüchtlingen und der Bevölkerung beizutragen.  Dialog bedeutet: jeder will sich vom anderen beschenken lassen, weil jeder das Gute und Bereichernde beim anderen entdecken möchte, um gemeinsam ein gerechtes und friedliches Zusammenleben zu gestalten.

Lothar Klinges

 

Interview von Gerard Cremer (Ostbelgien Direkt) mit Lothar Klinges

1. Herr Pastor Klinges, wie waren die Reaktionen in Ihrem Umfeld zu Ihrer Wahl zum "Ostbelgier des Jahres 2015"?

Von meiner Wahl zum Ostbelgier des Jahres  habe ich von einem befreundeten Priester erfahren, der mir am frühen Montagnachmittag gratulierte. Am Montag, wie auch an den darauffolgenden Tagen, habe ich unzählige SMS und Mails von Menschen erhalten, die mir gratuliert haben. Auf der Straße, bei Versammlungen und in der Kirche wurde ich immer wieder angesprochen. Die meisten Personen, die mir Glückwünsche übermittelten, meinten, dass ich dieses Resultat "verdient" hätte.  Ich glaube aber, dass es andere gibt, die sich viel mehr ehrenamtlich für Flüchtlinge einsetzen. Es gibt viele, die sich im Stillen für die Flüchtlinge einsetzen. Deshalb habe ich in meinem Dankeswort auch gleich den Titel des Ostbelgiers des Jahres an all jene "weitergereicht", die sich, abseits der Öffentlichkeit, für die Flüchtlinge einsetzen und dabei auch so manche Konflikte mit Familienangehörigen und Nachbarn erleben, die dieses Engagement nicht nur nicht wertschätzen sondern auch belächeln.

2. Sie haben ja schon in einem "Wort des Dankes" (siehe auch Link am Ende dieses Artikels) Stellung bezogen, für Sie ist die Wahl eine Bestätigung und gleichzeitig Ansporn, auf dem bisher eingeschlagenen Weg fortzufahren. Wäre es jetzt aber nicht an der Zeit, auf diejenigen zuzugehen, die den Zustrom von Flüchtlingen mit Skepsis, mit Angst und bisweilen sogar mit Ablehnung kommentieren?

Mein Wunsch war es von Anfang an, mit dazu beizutragen, dass es zu einem Austausch, zu einem Dialog kommt mit den Menschen, die Ängste und Sorgen haben oder auch die Flüchtlinge ablehnen. Mir liegt sehr am Herzen, dass es nicht zu einer Frontbildung kommt zwischen jenen, die für und jenen, die gegen Flüchtlinge sind. Nur im Miteinander und nicht im Gegeneinander können wir die aktuelle Herausforderung meistern.

Ich will verstehen, woher diese Angst kommt. Ich selbst habe auch Fragen und mir ist nicht immer wohl angesichts der Situation dieser massenhaften Flucht. Auch ich frage mich, was dahinter steckt, warum die Politik so machtlos ist. Ich teile viele Ängste. Nur, wie klein sind da unsere Ängste im Vergleich zu den zahllosen Terror-Opfern in Syrien, Irak, Afghanistan und anderswo?  Flucht ist doch kein Verbrechen. Flucht ist ein Menschenrecht! Ich will mich aber von der Angst vor dem Fremden nicht leiten lassen. Das Herz lässt mich im Flüchtling einen Mitmensch erkennen, dem ich beistehen will.

3. Sie haben die Iraker, die von Fedasil nach der Schlägerei vom 30. Dezember 2015 aus dem Zentrum für Flüchtlinge in Elsenborn ausgewiesen worden waren, für eine Nacht in Ihrem Pfarrhaus aufgenommen. Weshalb? Und weshalb nur für eine Nacht?

So sehr ich die Haltung einiger Iraker gegenüber jungen Afghanen bei der Schlägerei im Flüchtlingsheim Elsenborn missbillige, so sehr war ich über die Maßnahme erstaunt, diese Menschen für 30 Tage an die Tür zu setzen, auch wenn die Bestimmungen von Fedasil dies so vorsehen. Über solche Sanktionen kann ich nur staunen!

Am Donnerstagabend war wieder eine Versammlung angesagt.  Fünfzehn Minuten vorher wurde diese Versammlung aber abgesagt, so dass ich zu Hause im Pfarrhaus war. Dass gerade an diesem Abend, wo ich eher zufällig zu Hause war, Flüchtlinge vor meiner Tür standen, fand ich schon bezeichnend. Gerne hätte ich den vier Irakern länger Unterkunft in meinem Pfarrhaus gewährt. Ich wollte sie aber nicht alleine in meinem Haus belassen, weshalb sie es am Freitagmorgen verlassen haben, da ich eine Begräbnisfeier in Weywertz hatte. Gerne hätten die Flüchtlinge die darauffolgende Nacht und auch weitere Nächte wieder bei mir übernachten können.  Aber sie waren schon wieder weiter gereist. Für die Zukunft werde ich Freunde aus meiner Gemeinde bitten, in meiner Abwesenheit im Pfarrhaus so eine Art "Gastdienst" zu übernehmen, damit Flüchtlinge auch in meiner Abwesenheit im Pfarrhaus bleiben können.

4. Muss man nicht ohnehin davon ausgehen, dass in Zukunft Asylbewerber, denen Asyl verweigert wurde und die dann normalerweise abgeschoben werden, vermehrt Zuflucht in Kirchen suchen werden? Stichwort Kirchenasyl: Wie werden Sie sich dann verhalten?

Wenn es nach mir geht, würde ich den Flüchtlingen sofort Kirchenasyl gewähren. Aber diese Entscheidung kann ich nicht alleine treffen, denn der Kirchenfabrikrat als Eigentümer der Kirche muss hierzu die Entscheidung treffen. Sollte es mal soweit kommen, wird es sicherlich sehr kontroverse und auch heiße Diskussionen geben, denn nicht jeder teilt meine Meinung. Die Entscheidung, Flüchtlingen Asyl in der Kirche zu gewähren, kann ich nicht alleine entscheiden.  Wen ich in meinem Pfarrhaus aufnehme, entscheide ich selber. Aber in der Kirche oder in einem Pfarrheim Flüchtlinge aufzunehmen, entscheidet das entsprechende Gremium. Und hier ist die Entscheidung schwieriger.

5. Sie haben in Ihrem "Wort des Dankes" geschrieben, dass uns die Flüchtlingskrise noch lange beschäftigen wird. Inwieweit werden die Zuströme unsere westliche Gesellschaft verändern?

Ich glaube, dass wir erst am Anfang der Flüchtlingskrise stehen. Viele Menschen, ob aus den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens oder aus Afrika, werden nach Europa strömen, um ein Leben in Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu führen.  Wer will es ihnen verdenken!

Es liegt eine schwierige und fordernde Zeit vor uns, denn der freundliche Empfang, die Hilfsbereitschaft und sogar Toleranz allein werden nicht genügen. Es müssen gesellschaftspolitische Maßnahmen getroffen werden, damit die Fremden sich wirklich integrieren können.

Wir werden mehr und mehr lernen müssen, bescheidener in unseren Ansprüchen zu werden und bereit sein, unseren Wohlstand mit anderen zu teilen. Nur durch eine solche Einstellung werden wir die Flüchtlinge als echte Mitbürger aufnehmen und achten.

Auch scheint es mir unentbehrlich, unseren Rechtsstaat zu behaupten, unsere Werte zu bezeugen und als Christen zu unserem Glauben zu stehen. Das baut Ängste ab und baut Vertrauen auf. Ein gutes Miteinander ist nur möglich, wenn der Dialog zwischen einander respektierenden Menschen gesucht wird. Dialog bedeutet: jeder will sich vom anderen beschenken lassen, weil jeder das Gute und Bereichernde beim anderen entdecken möchte, um gemeinsam ein gerechtes und friedliches Zusammenleben zu gestalten.

6. Befürchten Sie nicht, dass unsere Gesellschaft immer weniger vom Christentum, dafür aber immer mehr vom Islam beeinflusst wird? Das kann Ihnen als katholischer Pfarrer doch nicht gleichgültig sein, oder?

Unsere Gesellschaft ist ja bereits, auch ohne die Flüchtlinge muslimischen Glaubens, immer weniger christlich geprägt. In vielen Bereichen ist von einem öffentlich gelebten Glauben und von Christentum schon lange nichts mehr zu spüren. Das Christentum ist bereits zu einer Minderheit in unserer Gesellschaft geworden.

Ich habe keine Angst vor andersgläubigen Menschen.  Im Gegenteil: im Glauben an den einen Gott kann ich diesen Menschen auf einer Ebene begegnen, die mit Nichtgläubigen viel schwieriger ist. Ich habe keine Angst davor, dass unsere westliche Gesellschaft mehr und mehr vom Islam beeinflusst wird, ... wenn, ja wenn wir Christen zu unserem Glauben stehen und für unseren Glauben einstehen.  Ich glaube, dass hier das Problem liegt. Wer in seinem eigenen Glauben fest steht, braucht keine Angst vor dem Glauben anderer zu haben. Im Gegenteil: Er kann im Glauben des Andersgläubigen eine Bereicherung für seinen eigenen Glauben finden. Der interreligiöse und interkulturelle Dialog wird immer wichtiger. Abschottung ist keine Lösung. Nur im Dialog und im gegenseitigen Respekt zwischen den Kulturen und Religionen wird unsere Gesellschaft eine Zukunft haben.


 

Müssen wir Flüchtlingen überhaupt helfen oder können wir auch einfach wegschauen? Verantwortung Flüchtlingen gegenüber können wir uns nicht aussuchen, und wir können uns auch nicht sagen, das machen wir oder nicht.  Die Verantwortung ist uns als Christen eingegeben, und ob wir wollen oder nicht, die Menschen, die zu uns kommen, verdienen unsere Wertschätzung und Sorge. Deshalb haben wir uns dieser Verantwortung zu stellen, umso mehr, als die weltweiten Flüchtlingstragödien erst begonnen haben.

Die Verantwortung für Flüchtlinge ist Teil unserer christlichen Identität

 Wir werden in unseren Tagen Zeugen einer Fluchtbewegung, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben. Die Flüchtlinge halten es angesichts der dramatischen Situation in ihrem Land in den Flüchtlingslagern in der Türkei oder im Libanon nicht mehr aus, sondern begeben sich in das nahe Europa.

Was zuvor für viele Menschen ein abstrakter Gedanke war, wird nun im Alltag erfahrbar: Wir sind Teil einer globalen Schicksalsgemeinschaft. Angesichts der großen Zahl von Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, muss die von Papst Franziskus geforderte „Globalisierung der Nächstenliebe“ direkt in unserer Nachbarschaft stattfinden. Als Christen sind wir in doppelter Weise gefordert: Die Fürsorge für Flüchtlinge und Migranten ist Teil unseres Selbstverständnisses, und zugleich haben wir stets das Wohl der gesamten Gesellschaft im Blick. Die Flüchtlingsthematik dürfen wir nicht nur aus der politischen Warte sehen, sondern vor allem menschlich und mit dem Herzen. Diese Menschen willkommen zu heißen, aufzunehmen und ihnen das zukommen zu lassen, was Gott allen Menschen zugedacht hat, ist ein Gebot der Humanität und für uns ein Gebot christlicher Verantwortung.

Als Pastor sehe ich mich innerhalb kurzer Zeit einer Gemeinde gegenüber, in der 10 % Flüchtlinge leben. Schmäh- und Drohbriefe habe ich mir eingehandelt, nachdem ich öffentlich in der Kirche und im Pfarrbrief meine Meinung über die Aufnahme von Flüchtlingen gesagt hatte. Anonym natürlich! Dass mich Hassattacken, Beleidigungen und Vandalismus erreichen würden, hätte ich eigentlich wissen müssen.

Unsere Gesellschaft ist inzwischen stärker gespalten, als ich es mir eingestehe. Die einen sind strikt gegen die „Asylantenschwemme“ und malen den puren Horror an die Wand. Andere reden die Probleme bei der Integration so vieler Flüchtlinge klein. Mich treibt überdies die große Sorge um: Was wird aus unserer Gesellschaft mit ihrer Orientierung an den Menschenrechten, wenn erst einmal richtig öffentlich wird, wie viele Menschen schon insgeheim fremdenfeindlich denken und fühlen?

Ich bin erschrocken, wie viel Verachtung und Hass gegenüber Flüchtlingen in Gesprächen und in den sozialen Netzwerken verbreitet wird.  Ein Zeichen völliger Enthemmung und des Verlustes jeglicher Zivilisiertheit wie auch ein Zeichen fehlender Einsicht in eine schwierige Wirklichkeit. Besonders erschreckend ist es, dass dieser Hass manchmal von Menschen geteilt wird, die sich selbst als christlich bezeichnen und um ihre christliche Identität bangen. Sich hingegen der Verantwortung zu stellen, erfordert einen Gedankengang mehr und ist ein Zeichen von Stärke und Mut.

Wie viele Kommentare geben Menschen von sich, bevor sie überhaupt hilfesuchende Flüchtlinge oder Asylbewerber erlebt haben. Auf Fremde werden erfahrungsgemäß alle verfügbaren Vorurteile gerichtet. Schnell werden sie zu Sündenböcken, und Futterneid nimmt aggressive Formen an, als ob „die“ uns alles wegnähmen, als ob Flüchtlinge uns hier faul und anspruchsvoll auf der Tasche lägen. Reflexartig wird immer davon geredet, sie kämen hierher, um sich ein Leben in Luxus aufzubauen. Dabei kommen sie nicht aus wirtschaftlicher, sondern aus existentieller Not. Es geht ihnen ums nackte Überleben, nicht ums luxuriöse Leben. Aber weil viele unter uns die Sorge ums luxuriöse Leben umtreibt, hören sie auf jene, die die Not in Luxusbedürfnis ändern. „Die Wohlstandskultur macht uns unempfindlich für die Schreie der anderen und führt zur Globalisierung der Gleichgültigkeit", sagte Papst Franziskus in seiner Predigt auf Lampedusa am 8. Juli 2013.

Wir brauchen nicht nur mehr Willkommensgesten, freundliche, geduldige und persönliche Begleitung. Es bedarf einer Anstrengung jedes einzelnen, Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen, die in den Lagern leben, nichts zu tun haben und warten müssen, warten, warten – und dabei eine ungewisse Zukunft vor sich haben. Das kann nicht ohne Konflikte geschehen. Wir alle stehen in der Verantwortung, uns umfassender über die Problemlage zu informieren und Gewaltexzessen zügig und konsequent zu begegnen.

 Zugleich stehen wir in der Verantwortung, alles Erdenkliche zu tun, damit aus Überfremdungsängsten nicht Fremdenfeindlichkeit und Aggression gegen Flüchtlinge werden. Befürchtungen müssen ernst genommen, Konflikte nicht blauäugig weggeredet werden.  Wir müssen die Abwehrgefühle nicht nur ernst nehmen, sondern auch den Mut haben, uns diesen zu stellen. Zugleich haben wir die Aufgabe, Andersdenkenden klar zu verdeutlichen, wo die Grenzen von Intoleranz liegen.

Seit vielen Jahrzehnten vorausgesagt, kommen Menschen aus den hoffnungslosen Hungerländern im Süden, aus unmenschlichen Bürgerkriegen oder mit den unterschiedlichsten Erwartungen in die noch reiche Nordhälfte der Welt. Die weltweiten Flüchtlingstragödien haben erst begonnen. Sie haben mit uns, unserem Lebensstil und unserem Wohlstand zu tun, denn eine "Weltwirschafts-Un-Ordnung" mit Überfluss- und Elendsländern und unser Profitdenken verschärfen die Konflikte weltweit.

Unsere Lebens- und Wirtschaftsweise entzieht vielen Menschen andernorts die Lebensgrundlage. Wir alle tragen Verantwortung an den Problemen rund um den Globus. Sehen wir die Hintergründe und Ursachen der Flüchtlingsbewegungen: Klimaveränderungen, Kriege, Verfolgung, Zusammenbruch staatlicher Gewalt, extreme Armut. An diesen Fluchtursachen ist unsere Gesellschaft mitschuldig durch globale Handelsbeziehungen, Waffenlieferungen und nicht zuletzt durch einen Lebensstil, der die Ressourcen der Erde verbraucht. Jeder einzelne ist mitverantwortlich für die Bedingungen, die Menschen in die Flucht treiben. Hier können wir zur Veränderung beitragen, z. B. indem wir uns engagieren für den fairen Handel und ein Bewusstsein für kritischen Konsum schaffen. Wir leben heute auf dem reichsten Kontinent der Welt. Aus dieser mehrfach privilegierten Situation heraus kommt uns eine große Verantwortung zu, unsere Wirtschafts- und Lebensstile grundlegend zu überprüfen, um für alle Menschen weltweit und für kommende Generationen Lebensqualität zu schaffen.

Eine Umkehr von diesen ungerechten Verhältnissen liegt in unserer Verantwortung. Was wir alle schon als Problem wahrgenommen haben, erleben wir nun in Gestalt hilfesuchender Menschen ganz nahe.

Lothar Klinges

Gesinnungs- und Verantwortungsethik
Verantwortung ist gefragt

In der Frage nach der Verantwortung Flüchtlingen gegenüber, prallen gesinnungs- und verantwortungsethische Sichtweisen aufeinander. Die anfängliche Euphorie, mit der auch in Elsenborn die ankommenden Flüchtlinge willkommen geheißen wurden, und die bewundernswerte spontane Hilfsbereitschaft der Bevölkerung sind Ausdruck einer gesinnungsethischen Haltung. Um mögliche Folgen für die Gesellschaft - und damit womöglich auch für die Flüchtlinge selbst – macht sie sich keine ausreichenden Gedanken.

Verfechter dieser Ethik treten nicht selten mit einem hohen Anspruch auf. Wer auf mögliche Probleme bei der Bewältigung der anstehenden Integrationsaufgaben hinweist, auf möglich Folgen, weil es zu einem Verteilungskampf in der Gesellschaft kommen könnte, läuft Gefahr, als Rechter und Rassist beschimpft zu werden.

Wer verantwortlich in der Flüchtlingsfrage handeln will, kann nicht darüber hinwegsehen, dass der freundliche Empfang, die Hilfsbereitschaft und sogar Toleranz allein nicht genügen. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, damit die Fremden sich integrieren können. Hier ist jeder einzelne gefordert, der Gesinnung einer Willkommenskultur, auch danach bei der Integration Verantwortung zu übernehmen. Wir werden dabei lernen müssen, bescheidener in unseren Ansprüchen zu werden, und bereit sein, unseren Wohlstand mit anderen zu teilen. Nur durch eine solche Einstellung werden wir die Flüchtlinge als Mitmenschen aufnehmen und achten. (kli)

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